Erkenntnisse eines Gartenlehrlings
- Meva Elciyörük
- 26. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Vor zwei Jahren habe ich die Liebe und das Interesse für das Gärtnern entdeckt.
Die 30er Jahre lassen wohl grüßen!
Wobei ich hier auch erwähnen muss, dass ich leider keinen eigenen Garten zur Verfügung habe. Was? Gärtnern ohne Garten? Ganz genau! Ich erlerne nämlich die Kunst des Balkongärtnerns und folge dabei dem Minimalprinzip: aus wenig Raum und Mitteln das höchstmögliche Ziel zu erreichen.
Doch das Wort „Ziel“ ist hier vielleicht etwas irreführend und mag so erscheinen, als ginge es dabei primär um das Erreichen einer möglichst ertragreichen Ernte. Doch darum geht es mir nicht. Mein persönliches (Garten-)Ziel ist es vielmehr: neue Erkenntnisse zu gewinnen, gemeinsam mit lieben Menschen die Freude und den Spaß am Tun und Werkeln zu erleben und dabei einen schönen, ästhetischen Raum zu gestalten.
Nun kommen wir zu meinen Learnings, die mir die Pflanzenwelt bisher vermittelt hat:
Das Gärtnern beruht grundlegend auf vier Prinzipien: Beobachten, Geduld, Liebe und Mut zu Fehlern.
Alles beginnt mit dem Beobachten. Basierend auf dem Wissen, wie meine Erde beschaffen ist, wie die Lichtverhältnisse auf meinem Balkon oder im Garten sind, wie geschützt meine Pflanzen vor Wind und Wetter stehen und wie viel Sonne und Wasser jede einzelne Pflanze verträgt, wird entschieden, welche Bäume, Gemüsepflänzchen, Kräuter und Blumen sich für den jeweiligen Ort eignen.
Das heißt kurzum: Der Balkon bzw. der Garten und seine Rahmenbedingungen entscheiden, welche Pflanzen am besten zu ihm passen. Da scheinen die Vorlieben und Wünsche des Gärtners etwas zweitrangig zu sein, aber die Natur hat eben ihre eigene Intelligenz.
Wir haben dieses Jahr beispielsweise das erste Mal Sonnenblumen am Balkon eingesetzt – aber: erfolglos. Der Topf bzw. der Platz dürfte zu klein gewesen sein, sodass sie uns schon verblüht sind, bevor sie überhaupt zu blühen begonnen haben.Im nächsten Jahr wird es wohl keine Sonnenblumen mehr geben. Andere Balkonpflanzen und -kräuter hingegen lieben ihren Platz dafür ganz besonders und blühen prächtig auf.
Jede Pflanze braucht also den richtigen Platz, um zu erblühen und zu gedeihen!
Nun kommen wir zum zweiten Prinzip: der Geduld. Kaum etwas anderes lehrt uns mehr Geduld als die Natur selbst. Wer schon einmal selber Gemüse gezogen hat, weiß, wie laaange es dauern kann, bis die ersten kleinen Pflänzchen aus ihren Samen sprießen und überhaupt zur Frucht werden. Man kann diesen natürlichen Werdeprozess mit etwas Düngemittel versuchen aufzuputschen und zu beschleunigen, aber wie sagt man so schön:„Alles wächst zu seiner Zeit.“
Die dritte und vielleicht wichtigste Zutat ist Liebe. Ein Gärtner erkennt das Potenzial seines Gartens, auch wenn noch nichts erblüht. Er ist stets präsent, gegenwärtig und aufmerksam. Hingebungsvoll begleitet, behütet und pflegt der Gärtner seinen Garten und freut sich mit kindlicher Freude an jeder Blume, an jedem Duft der Rosen und des Rosmarins.
In dieser Liebe und mit dieser Liebe verwandelt der Gärtner seinen Garten und wandelt auch ein Stückchen seines Selbst.
Und zuallerletzt ist der Garten ein Ort, wo Fehler erlaubt sind und auch verziehen werden. Da kann ich aus Erfahrung sprechen.
Ich habe nämlich vor ein paar Monaten zwei Gurkenpflänzchen bekommen, die umgetopft werden mussten.In meinem Tatendrang und der Euphorie habe ich es dann geschafft, einer Pflanze die zarten Wurzeln zu entreißen – es blieben nur mehr Blattwerk und Stängel erhalten. Ja! Shit happens. Und es tat weh!
Jedoch habe ich die Pflanze so schnell nicht aufgegeben und sie sich selbst wohl auch nicht. Nach einigen (scheinbar) leblosen Tagen war die Pflanze wieder neu zum Leben erweckt. Sie hat neues Wurzelwerk gebildet und ist jetzt ganz groß.
Die jungianische Psychoanalytikerin Clarissa P. Estés würde dieses Phänomen wohl mit folgenden Worten beschreiben:
„Auch wenn die äußere Form beleidigt, angegriffen, erschreckt oder gar tief erschüttert wird – niemand kann den goldenen Zünder zerstören, und niemand kann dessen unterirdische Hüterin töten.“
Und darin steckt wohl die größte Erkenntnis:
In jeder Zerstörung liegt ein Neubeginn.Wenn wir die Kontrolle aufgeben und darauf vertrauen, hoffen und erlauben, dass die Natur ihr Werk vollbringen kann,können wir Zeugen von neuem Leben und neuer Hoffnung werden.
Was für ein Segen!
Herzliche Grüße,
Meva





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